in tiefer trauer.... ehrlich
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Teenage Kicks
Musikalischer Begleiter von Generationen: Der britische Diskjockey John Peel
ist in Peru gestorben
VON KLAUS WALTER
Zu seiner Beerdigung, das hat John Peel schon vor Jahren verfügt, sollen die
Undertones gespielt werden. Teenage kicks, 2 Minuten 26 Sekunden frenetisches
Pubertätssehnsuchtsleiden von fünf pickligen jungen Nordiren. 1978 war das.
Gestern spielte die BBC Teenage kicks am helllichten Tag. John Peel, der in
den 1950er Jahren ein Teenager war, ist tot, Herzattacke mit 65 Jahren im
Urlaub in Peru mit Frau Sheila, die er auch on air gerne mal "Pig" nannte.
Auf dem halben Globus
Peel ist nicht in Würde gealtert. Er hatte die Würde, ein Leben daraus zu
machen, dass er mit 65 noch Teenage Kicks sucht, dass er mit 65 noch auf der
Suche ist nach der aufregendsten Musik der Sekunde, um sie in den Äther zu
schicken, längst nicht mehr nur den britischen.
Peels Sendungen wurden auf dem halben Globus gehört, er war nicht bloß der
DJ, der die letzte Nacht gerettet hat. Er glaubte an das Rettende, Heilende
und ja, das Zerstörerische neuer Musik, darin ganz Schüler Platons.
Ohne ihn hätte Punk nicht so heftig Londons Stadtmauern erschüttert, ohne ihn
hätte eine Münchner Dilettantenband namens Freiwillige Selbstkontrolle heute
keine Fans in Wales, ohne ihn wäre wohl sogar The Fall nur eine Band von
vielen.
Mit anderen Worten: Der Radio-DeeJay John Peel war 40 Jahre lang das
Gegenteil von jenen mediacontrol-geeichten Lemmingen der Radiowellen, die
Musik nur danach beurteilen, ob sie einen "Ausschaltimpuls" auslöst, weil sie
aufregt.
Die Musik nur als "Bett" oder "Teppich" für ihre erbarmungswürdige
Selbstinszenierung benutzen, die sie dann tatsächlich mit dem Wort
"Persönlichkeit" zu schmücken suchen. Wenigstens weichen sie ins Englische
aus: Personality!!
Wenn die ICH sagen, ist es schon eine Lüge, um mal einen Frankfurter
Theorie-DeeJay zu zitieren.
Aber warum Platz verschwenden für Statisten des digitalen Sprechens, wenn es
gilt, kurz und schnell Peel zu würdigen. Die Sammlung der Peel-Sessions, für
die er immer wieder Bands zur BBC einlud, stellt für sich ein schillerndes
Re-Writing der Popgeschichte dar.
Um eine Ahnung zu bekommen, was einen guten Radio-DeeJay ausmacht, gehen wir
zurück zu den "Teenage Kicks" und klauen aus der jungen welt: "Peel markiert
die Platten, die er im Radio spielen möchte, mit Sternchen. Ein Sternchen
bedeutet: könnte gespielt werden. Zwei Sternchen: sollte gespielt werden. Drei
Sternchen: muss gespielt werden."
Peel versuchte seinen Enthusiasmus zu bremsen, dennoch gab es hin und wieder
vier oder mehr Sternchen. Teenage Kicks bekam 28 Sternchen.